„Im Strudel der Schuldenpolitik“ sieht Malte Fischer, Chef-Volkswirt der „Wirtschaftswoche“, die EZB.
Einerseits spreche die hartnäckig hohe Inflation dagegen, die geldpolitischen Zügel erneut zu lockern. Andererseits wachse der Druck, die Finanzierungskosten der hochverschuldeten Länder in der Währungsunion zu senken. Fischer kommentiert: „Vor allem die Vertreter aus den südlichen Ländern der Eurozone dürften angesichts der anämischen Konjunktur Druck machen, den Zinssenkungskurs alsbald fortzusetzen. Beobachter gehen daher davon aus, dass die Notenbanker bei der ersten Sitzung nach der Sommerpause im September die Zinsen erneut um 0,25 Prozentpunkte senken werden. Im Dezember könnte dann ein weiterer Zinsschritt erfolgen. Druck kommt insbesondere aus Frankreich und Italien. Beide Länder sind hoch verschuldet. In Frankreich liegen die Staatsschulden bei 110 Prozent der Wirtschaftsleistung, in Italien sind es 137 Prozent. Beiden Ländern mangelt es am Willen und an der Kraft, die Defizite im Staatsbudget unter die Maastricht-Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu drücken. In Frankreich lag das Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr bei 5,5 Prozent des BIP, in Italien waren es 7,2 Prozent.“ Und der Ökonom schließt: „Die Hochschuldenpolitik der Regierungen und die Bereitschaft der EZB, diese in den vergangenen Jahren durch Niedrigzinsen zu alimentieren, haben den geld- und zinspolitischen Spielraum der EZB massiv eingeengt. Den Notenbankern bleibt daher nicht viel anderes übrig, als zu bitten und zu beten, dass die Regierungen ihren Konsolidierungsaufforderungen Folge leisten. Tun sie es nicht, könnten die Notenbanker bald gezwungen sein, sich zwischen Preisniveaustabilisierung und dem Erhalt der Eurozone zu entscheiden. Für eine unabhängige Zentralbank ist das eine bittere Perspektive.“