Immer mehr hiesige Unternehmen investieren verstärkt im Ausland, um die hohen Kosten am Standort Deutschland zu vermeiden.
Gleichzeitig mehren sich die Klagen aus der Wirtschaft über die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit. Firmen, die Auslandsinvestitionen planen, verweisen – einer DIHK-Befragung zufolge – zu 73 % auf die Energie- und Rohstoffpreise sowie zu 63 % auf die Arbeitskosten. Auch aus Sicht internationaler Investoren verliert der Standort Deutschland an Attraktion. Das hat eine Befragung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG bei 350 Finanzvorständen deutscher Tochtergesellschaften internationaler Konzerne ergeben. Danach rangiert die Bundesrepublik für Investoren nur noch im Mittelfeld. Als größte Standortnachteile werden überbordende Bürokratie (61 %) und hohe Energiekosten (57 %) genannt, es folgen mangelhafte Digitalisierung, Regulierungsvorgaben für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung sowie fehlende Technologieoffenheit. Als bedeutendster Vorteil wird die zentrale Lage in Europa (79 %) anerkannt. Zu den traditionellen Stärken gehören der Lebensstandard, die öffentliche Sicherheit, die politische Stabilität und die Forschungslandschaft, die allerdings im Vergleich zu früheren Umfragen deutlich an Wertschätzung verloren haben. In diesem Ranking nicht berücksichtigt worden ist die offenbar nachlassende Arbeitsmoral der Deutschen. So hat eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg ergeben, dass die Menschen in Deutschland 2023 so wenig gearbeitet haben wie seit dem Corona-Jahr 2020 nicht mehr. Das Institut fasst die Lage so zusammen: „Der höchste Krankenstand, die wenigsten Überstunden, die meiste Teilzeit.“ Die durchschnittliche Jahresarbeitszeit aller deutschen Erwerbstätigen lag im vergangenen Jahr mit 1.342 Stunden erheblich unter den Werten anderer Industrienationen. Mit durchschnittlich 15,2 Arbeitstagen waren die Beschäftigten – laut IAB – 2023 so lange krankgeschrieben wie noch nie seit 1991. Das bedeutet gegenüber dem bereits ebenfalls schon krankheitsintensiven Vorjahr eine Steigerung um über 6 %. Zur Beflügelung des ohnehin rückläufigen Interesses ausländischer Investoren dürfte übrigens auch nicht die kontraproduktive Lust am Streik beitragen. Bundesweite Arbeitsniederlegungen zur Durchsetzung deutlich höherer Löhne und kürzerer Arbeitszeiten werden in den Chef-Etagen internationaler Investoren als abschreckendes Argument gegen den Standort Deutschland zur Kenntnis genommen. Dass die Investitionsverweigerung bereits deutliche Spuren hinterlässt, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Danach sind die Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland 2023 auf den tiefsten Stand seit zehn Jahren gesunken. Die Netto-Abflüsse, also die Differenz zwischen Investitionen deutscher Firmen im Ausland und ausländischer Unternehmen in Deutschland, lagen bei 94 Mrd. Euro. Dabei handelt es sich laut IW nicht um eine Ausnahmeerscheinung, sondern um ein „Symptom der Deindustrialisierung“, die sich bei unveränderten Rahmenbedingungen stark beschleunigen werde.