Die reale Gefahr einer Deindustrialisierung nimmt offenbar weiter zu. Der BDI-Präsident sieht zahlreiche „Handicaps“ und warnt vor abnehmender Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland. Der DIHK rechnet mit einer wachsenden Verlagerung von Produktion ins Ausland.
Der DGB setzt die Sicherstellung wettbewerbsfähiger Industriestrompreise ganz oben auf die Gesprächsagenda mit der Bundesregierung. Die DGB-Chefin befürchtet: „Je tiefer die Schnitte in die Wertschöpfungskette werden, je mehr Unternehmen Deutschland verlassen, desto dramatischer wird der Dominoeffekt sein.“ Und der Vorsitzende der Gewerkschaft IG BCE fordert „eine rundum neu entwickelte Industriepolitik für Deutschland und Europa“. Nur so könne man weitere Abwanderungen nach China oder in die USA verhindern. Zum Vergleich: Die Strompreise in Amerika liegen 80 % unter denen in Deutschland. Gas kostet dort nur ein Siebtel. Um Deutschland fit zu machen für den weltweiten Standortwettbewerb, fordert der DIHK die Beseitigung bürokratischer Hemmnisse und die Beschleunigung der Planungsverfahren. Auch der BDI beanstandet die Langsamkeit in der Genehmigungspraxis. Außerdem seien die Unternehmenssteuern im internationalen Standortwettbewerb zu hoch. Es brauche mehr steuerliche Anreize für Investitionen in Deutschland. Weiter heißt es: „Die Energiepreise sind überfrachtet mit Steuern und Abgaben. Das können wir uns nicht mehr leisten im globalen Wettbewerb. Die aktuelle Krise ist nicht nur eine kleine Konjunkturdelle. In der grünen und digitalen Transformation gibt es für die Regierung immense Aufgaben zu erledigen.“ Allen Beschönigern der aktuellen Lage sollte Anlass zu denken geben, dass Deutschland – nach einer neuen Studie der Beratungsgesellschaft EY – erstmals nicht mehr unter den 100 wertvollsten börsennotierten Unternehmen der Welt vertreten ist. Im Jahr 2008 gehörten noch 8 deutsche Konzerne diesem elitären Kreis an. EY kommentiert diesen Absturz so: „Wir sind bislang den Beweis schuldig geblieben, dass Deutschland die Weltwirtschaft der Zukunft entscheidend mitgestalten wird und auch in der digitalen Wirtschaft von morgen ein wichtiges Wort mitzureden hat. Wir erleben fundamentale Umwälzungen.“