„Beruhigungspillen“

„Beruhigungspillen“
Der Vormarsch Euro-kritischer Grup-pierungen in Europa stellt die Regie-rungschefs und die Brüsseler Eurokra-ten vor neue Herausforderungen. Seit dem Frühjahr 2010 haben in 18 der 27 Mitgliedstaaten die parlamentarischen Mehrheiten gewechselt.

Vor allem der Ausgang der italienischen Wahlen hat Ratlosigkeit ausgelöst. Während in den südlichen Schuldenländern die mehr oder weniger konsequente Spar-politik zu gewalttätigen Unruhen führt, sorgt hierzulande die Angst, dass sich Deutschland als Zahlmeister einer Transferunion übernehmen werde, für wachsenden Widerstand. Das Verne-beln dieser unüberwindbaren Interes-senskollision zwingt die Regierenden zu bisher nicht gekannten rhetorischen Verrenkungen und faulen Kompromis-sen. Offenkundig setzen die Nehmer-länder wegen der Rezession auf ver-stärkte Neuverschuldung zur Ankurbe-lung der nationalen Volkswirtschaften. Damit wird der von der Bundesregie-rung monstranzartig vorgetragene Anspruch, die strukturelle Gesundung (und die finanzielle Unterstützung) erfordere eine Konsolidierung der Schulden-Haushalte, stillschweigend beerdigt. Und die Bundeskanzlerin stellt sich mit der Behauptung „Geld ist da. Jetzt muss das Geld zu den Men-schen kommen“ wieder einmal äu-ßerst flexibel an die Spitze der Bewe-gung. Tatsache ist, dass die Pleitelän-der mehr importieren als exportieren, folglich gewaltige Leistungsbilanzdefi-zite anhäufen. Gegen 17 EU-Mitgliedsländer laufen derzeit Straf-verfahren wegen überhöhter Defizite. Der einzige Weg zur rapiden Verbesse-rung der Wettbewerbsfähigkeit durch Abwertung nationaler Währungen ist aber durch den Euro verbaut. Die evi-denten Probleme werden auch weiter-hin nicht gelöst, sondern nur vertagt, während die Ausfallrisiken für die deutschen Steuerzahler sprunghaft steigen. Im Schlussdokument des EU-Gipfels am 14. März 2013 hieß es zur Gesichtswahrung von Frau Merkel, man bekenne sich zu einem „differen-ziert wachstumsfreundlichen Konsoli-dierungskurs“. Hollande interpretierte das später als Abkehr von Deutsch-lands Sparkurs. Und die „Wirtschafts-woche“ bezeichnete diesen untaugli-chen Versuch, es wieder einmal allen Recht zu machen, als „Beruhigungspil-len“ zur Besänftigung des Wahlvolkes in Europa.

Reiche Pleiteländer
Der private Reichtum ist in einigen Euro-Krisenländern deutlich höher als in den Geberländern. Erhebungen der EZB zufolge beträgt beispielsweise das Nettofinanzvermögen der Italiener 173 % des BIP, während der Ver-gleichswert für Deutschland nur bei 124 % liegt. In einer Privatvermögens-Betrachtung pro Haushalt ergibt sich für Italien ein Medianwert von 164.000 Euro, der den deutschen Wert von 76.000 Euro um mehr als das Doppelte übertrifft. Auch in Ländern wie Griechenland, Portugal und Spani-en gibt es – laut DIW – private Vermö-gen, die die Staatsschulden deutlich übersteigen. Ökonomen empfehlen daher, die Vermögenden in den Schuldnerländern durch Zwangsanlei-hen und Vermögensabgaben zum Ab-bau der Staatsschulden heranzuziehen. Solange die Bundesrepublik aber einen stillschweigenden internationalen „Länderfinanzausgleich“ hinnimmt, dürfte diese Forderung keinerlei Reali-sierungschance haben. Stattdessen will Rot-Grün nach der Bundestags-wahl hierzulande diverse Steuern deut-lich erhöhen. Irgendwo muss das Ret-tungsgeld schließlich herkommen ...

Nicht alternativlos
Vor zwei Jahren haben rund 200 Volkswirtschafts-Professoren in einer öffentlichen Erklärung vor den fatalen Folgen der Euro-Rettungspolitik ge-warnt. Tatsächlich würden nicht die Krisenländer gerettet, sondern das Geld fließe an Banken, Hedgefonds und Gläubiger, die „faule“ Staatsanlei-hen gekauft haben. Die EU dürfe nicht alle Ausfallrisiken absichern, da dies zur Fortsetzung unsolider Schuldenpo-litik geradezu einlade. Einer der Initia-toren war damals der Hamburger Pro-fessor Bernd Lucke, der jetzt zu den Gründern der neuen Partei „Alternati-ve für Deutschland“ zählt. Dabei han-delt es sich um eine hochkarätige Gruppierung, die auf Sicht einen „kon-trollierten Euro-Austritt“ bzw. die Auf-lösung der Gemeinschaftswährung anstrebt. Es bestehe dringender Hand-lungsbedarf, weil die Bundesrepublik „in der schwersten Krise ihrer Ge-schichte“ stecke. Die Einführung des Euro habe sich als Fehlentscheidung erwiesen, „die unser aller Wohlstand bedroht“. Der Euro ruiniere wie ein Spaltpilz die Wirtschaft, weil die nicht konkurrenzfähigen Länder nicht ab-werten können. Dem Norden, vor allem Deutschland, würden ungeheure Haftungsrisiken aufgebürdet. Die Al-ternative bestehe in der Rückkehr zu nationalen Währungen oder kleineren Währungsverbünden. Die AfW will im September flächendeckend zur Bun-destagswahl antreten. Einer neuen Emnid-Umfrage zufolge können sich 26 % der Bundesbürger vorstellen, eine eurokritische Partei zu wählen. Und ein Drittel der Deutschen will die DM wieder einführen. Die Hoffnung der etablierten Parteien, die Neugrün-dung werde sich schon selbst erledi-gen, könnte trügen. Denn: Hier han-delt es sich nicht um eine provinzleri-sche Gruppe von Selbstdarstellern und Amateuren, sondern um eine Initiative ausgewiesener Fachleute, die erstmals die begründeten Sorgen der Bürger ernst nimmt und eine kompetente Alternative zur angeblich „alternativlo-sen“ Rettungspolitik der Berliner Fünf-Parteien-Koalition anbietet. Das Un-behagen in der Bevölkerung über das bisherige Fehlen einer Exit-Strategie wächst. Die gebetsmühlenartige Be-schwörung des Euro zur angeblichen Frage von Krieg und Frieden nutzt sich ab. Die nächsten Monate dürften spannend werden.

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