„Brutale Herausforderungen“
Wenn die CDU ankündigt, dass es auch in einer großen Koalition mit ihr keinen „Politikwechsel“ geben werde, so klingt das angesichts der Realitäten wie eine Drohung. Oswald Metzger, als früherer Grüner nicht gerade der Rechtsradikalität verdächtig, warnt: „Wer in Zeiten wie diesen, in denen die eigene Währung wegen des maßlosen Ausgaben-Gebarens von Euro-Mitgliedsstaaten in die Vertrauenskrise geraten ist, im eigenen Land nicht zum Kurswechsel aufruft, für weniger Staat und mehr Markt und Eigenverantwor-tung, der betrügt das Volk“. Und „Focus Money“ kommentiert: „Die Wähler lassen sich nur allzu gerne einlullen.
Durch die milliardenschwe-ren Versprechen der Volksbeglücker. Und die Gerechtigkeits-Verheißungen der Umverteiler. Viel weniger populär ist eine Wirtschaftspolitik, die sich ehrlich mit den brutalen Herausforde-rungen der Zukunft auseinandersetzt: Deutschland überaltert, kann sich die-sen Sozialstaat nicht mehr lange leis-ten und schrumpft zu einer weltwirt-schaftlichen Mittelmacht.“ In der Tat: Durch die von der Regierung Merkel betriebene Sozialdemokratisierung ist die CDU von der Volkspartei der Frei-heit und Marktwirtschaft zum Herold der Gleichheit und der sozialen Voll-kasko-Mentalität geworden. Mit der Fahne des Mittelstands und der Leis-tungsgerechtigkeit wird nur noch im Wahlkampf gewedelt. Gutmenschen, die Gerechtigkeit als Gleichheit miss-verstehen (wollen), bestimmen die Zukunft dieses Landes.
Beispielloser Druck
Das Dilemma der deutschen Euro-Politik hat Gunnar Beck, Professor für EU-Recht an der Universität London, kürzlich so erklärt: „Der Euro gilt als ein Teil eines historischen Heils- und (R)einigungsprozesses. Ein deutscher Regierungschef, der die geldpolitische Schlechtwitzveranstaltung vom Euro endlich abblasen würde, wäre beispiel-losem internationalen politischen und medialem Druck ausgesetzt, würde als gefährlicher Nationalist verschrien, der nationales Interesse der nie en-denden Aussöhnung und wesentlich vom deutschen Steuerzahler finanzier-ten Völkerverständigung voranstellte und Westeuropa in eine erneute Re-zession stürzte. Hingegen kann sich jeder deutsche Regierungschef, der weiterhin gutes Steuergeld längst fau-len Krediten hinterher wirft, allgemei-nen Zuspruchs sicher wähnen, einge-denk Deutschlands nimmer endender historischer Verpflichtung, verantwor-tungsvoll und solidarisch gehandelt zu haben.“ Die europäischen Schulden-länder und die Brüsseler Eurokraten haben längst erkannt, wie einfach deutsche Regierungen mit diesen Stell-schrauben unter Druck zu setzen sind.
Demokratische Defizite
Zur aktuellen Situation der Gewalten-teilung in Deutschland merkt Prof. Beck an: „Votiert ein Abgeordneter gegen die eigene Parteispitze, so ris-kiert er damit auch seinen Listenplatz. Strebt er nach einem höheren Amt, so muss er sich gehorsam zeigen, denn Aufstieg gibt es für die Mehrheit nur gegen Loyalität und Gehorsam. Kaum verwunderlich, dass es in den letzten drei Jahrzehnten so gut wie keine par-lamentarische Rebellion gegen eine amtierende Regierung gab. Genauso bedenklich wie die Gefügigkeit des Parlaments ist die Haltung des nomi-nell unabhängigen Bundesverfas-sungsgerichts. Dessen Richter werden ausnahmslos auf Empfehlung einer der vier etablierten Bundesparteien er-nannt, in der Hauptsache also von CDU/CSU und SPD. Die Willfährigkeit des Gerichts in allen bedeutenden außen-, europa- und budgetpoliti-schen Fragen ist dadurch gesichert.“ Beck kommt zu dem Ergebnis, dass die bundesdeutsche Kultur „unter einem bedrückenden Klima von politischer Korrektheit“ leide. Außerdem habe Deutschland auch zwei Generationen nach Kriegsende noch immer nicht seine staatliche Souveränität wieder-erlangt, also „die Freiheit, seine eige-nen nationalen Interessen nach Maß-gabe der Mehrheitsmeinung der eige-nen Bevölkerung unter Beachtung des Völkerrechts politisch zu vertreten und dem eigenen wirtschaftlichen und politischen Gewicht gemäß zur Gel-tung zu bringen.“
1,5 Billionen Euro
Die europäischen Finanzhilfen für die Krisenländer Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien belaufen sich – nach Berechnungen des IWF – bereits auf fast 1,5 Billionen Euro. Erstaunlicherweise geht der Internati-onale Währungsfonds – anders als die meisten deutschen Ökonomen – da-von aus, dass die Krisenländer ihre Schulden zurückzahlen würden. Und der IWF plädiert de facto dafür, dass im Euro-Raum dauerhaft ein fiskali-sches Umverteilungssystem etabliert werden solle, von dem angeblich alle Euro-Länder profitieren würden. We-niger naiv-euphorisch bewertet Willi-am White, der frühere Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungs-ausgleich, die Lage der Gemein-schaftswährung: „Jeder, der behaup-tet, dass die fundamentalen Probleme in Europa gelöst sind, belügt sich selbst und die Öffentlichkeit. Ein un-vorhergesehenes Ereignis kann dafür sorgen, dass die Krise wieder auf-flammt, und wenn man bedenkt, wie wacklig das Fundament ist, könnten die Konsequenzen weit schlimmer sein als viele erwarten.“ Und mit Blick auf die Droge des billigen Geldes stellt der Banker fest: „Ich weiß nicht, ob wir es überhaupt noch schaffen werden, die Weltwirtschaft zu stabilisieren, bevor es zu einer ganz großen Krise kommt. Vor fünf Jahren, nach dem Zusam-menbruch von Lehman, war ich noch optimistischer. Aber in der Zwischen-zeit hat die Welt sich zu sehr auf ultra-billiges Geld der Notenbanken verlas-sen. Wir bewegen uns auf einen Punkt zu, wo wir nichts mehr machen kön-nen.“