"Demobilisierung"

Das Kräfteparallelogramm der deutschen Parteienlandschaft hat sich in den letzten 15 Jahren deutlich nach links verschoben. So ist der demoskopische Absturz der SPD vorrangig auf die systematischen Arrondierungen der CDU in eher linken Gefilden zurückzuführen.

Selbst die CSU versucht mittlerweile, den deutlich erstarkten Grünen Konkurrenz zu machen. Ein Parteistratege begegnet dem Vorwurf, die rein wahltaktische Besetzung neuer Aktionsfelder führe zur programmatischen Belanglosigkeit und Verwechselbarkeit, im vertrauten Kreis mit dem entlarvenden Hinweis, das sei immer noch besser als die Macht zu verlieren und dem politischen Gegner das Feld zu überlassen. Ein CDU-Berater hat dieses Vorgehen „asymmetrische Demobilisierung“ genannt. Gemeint ist damit, als stärkste Partei kontroverse Positionen und Provokationen der gegnerischen Parteianhänger zu vermeiden. Stattdessen werden Forderungen der anderen Partei übernommen, um dieser den Wind aus den Segeln zu nehmen. Prof. Felix Bierbrauer führt die Wahlerfolge der amtierenden Bundeskanzlerin auf exakt diese Strategie zurück: Nach einem nur knappen Wahlsieg mit klarer liberal-konservativer Profilierung in 2005 habe Merkel in den folgenden Wahlkämpfen bewusst die Differenz zu ihrem Mitbewerber klein gehalten, indem sie typische Themen der SPD übernommen habe. Als Folge waren die Wahlbeteiligungsquoten die niedrigsten in der Geschichte der Bundesrepublik, was die Legitimation der Demokratie durch das Bürger-Engagement geschwächt habe. Ein Grund für die sinkende Wahlbeteiligung dürfte allerdings auch darin liegen, dass viele Bürger von ihren Parteien keine „flexible“ Besetzung vermeintlich zeitgeistiger Trendthemen erwarten, sondern die verlässliche Umsetzung programmatischer Werte und Überzeugungen in praktische Politik.

Related Articles