"Endgültiger Bruch"

Mit dem größten Finanzpaket ihrer Geschichte will die EU dem einzigartigen Wirtschaftseinbruch infolge der Corona-Krise begegnen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sieht darin allerdings einen „historischen Paradigmenwechsel“.

Die „sparsamen Vier“ hätten nicht verhindern können, dass die EU erstmals selbst Schulden aufnehmen und Zuwendungen von 390 Mrd. Euro ohne strenge Auflagen verteile. Jürgen Stark, der 2012 aus Protest von seinem Amt als EZB-Chefvolkswirt zurückgetreten war, sieht sich in seiner Kritik an der Geldpolitik bestätigt. Die EZB treibe die „schleichende Änderung unseres Wirtschaftssystems“ und mache sich von den Euro-Regierungen abhängig: „Sie kann nicht ohne weiteres aus diesen Programmen aussteigen, sonst führt das zu stark steigenden Zinsen und endet in einer Staatsschuldenkrise gigantischen Ausmaßes. Die EZB ist – ich sage das bewusst so hart – zur Mittäterin geworden, die Staaten mit verfehlter Finanz- und Wirtschaftspolitik das finanzielle Überleben erleichtert.“ Laut Stark hat die EZB schon lange die Grenzen ihres Mandats überschritten. Für ebenso überzogen hält der ehemalige Notenbanker das milliardenschwere Hilfsprogramm, welches die EU-Regierungschefs kürzlich beschlossen haben. „In Wahrheit geht es doch dabei gar nicht um den Wiederaufbau nach Corona. Was ist denn wiederaufzubauen? Es ist doch gar nichts zerstört worden! Wie erleben stattdessen eine gigantische Schuldenaufnahme der EU, für die es keine rechtliche Basis gibt.“ Der völlig unausgeglichene Haushalt verkörpere einen „erneuten Tabu- und Rechtsbruch“. Stark weiter: „Geht es hier wirklich um Solidarität? Oder hat man den Erpressungsversuchen der Nehmerländer nachgegeben, weil einige Euro-Mitglieder wie Italien schon vor Beginn der Pandemie bis zur Halskrause verschuldet waren?“ Solidarität müsse in beide Richtungen funktionieren: „Diejenigen, die diese jetzt einfordern, haben sich gegenüber der gemeinsamen Währung durch ihr Verhalten nicht eben solidarisch gezeigt.“ Das alles führe letztlich in die Transferunion. „Durch die Hintertür haben wir jetzt eine Transfer- und auch eine Haftungsgemeinschaft. Auch das entspricht nicht dem Geist der Europäischen Verträge“. Festgehalten sei in den Verträgen nämlich die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten. Damit sei es nun vorbei: „Was wir gerade erleben, ist der endgültige Bruch mit diesem Prinzip.“

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