Frage der Bonität

Frage der Bonität
Nach der Abstufung von neun Euro-Ländern durch S&P weisen nur noch Deutschland, die Niederlande, Finn-land und Luxemburg die Bestnote Trip-le A auf. Auch die Bonität des Ret-tungsschirms EFSF ist mittlerweile herabgesetzt worden.

Statt sich mit den Ursachen dieses Downgradings zu befassen, ergehen sich Brüsseler Euro-kraten in abenteuerlichen Verschwö-rungstheorien. Der Frust und der wachsende Zorn in der Bevölkerung sollen so auf die Rating-Agenturen abgelenkt werden. Der Bundesfinanz-minister meint, man habe nicht begrif-fen, „was wir in Europa schon auf den Weg gebracht haben“. Und der Regie-rungssprecher sieht „keinerlei Hand-lungsbedarf“, weil der neue, dauerhaf-te Rettungsschirm ESM vorgezogen werde und robuster aufgebaut sei. Tatsache ist, dass die Verhandlungen über einen Fiskalpakt seit dem letzten Rettungsgipfel im Dezember stocken. Vor allem Italien drängt auf eine Ver-wässerung der Reformpläne, was selbst die EZB zu einer Warnung vor der Aufweichung der Schuldenreduzie-rung veranlasst hat. Die „Wirtschafts-woche“ kommentiert: „Europa, das ist die bittere Wahrheit, ist zum großen Teil überschuldet. Die Staatsdefizite steigen unaufhaltsam weiter an, in Italien und Spanien, in Frankreich und Griechenland. Die Hellenen beispiels-weise sind auch nach 18 Monaten Dauer-Hilfe ein hoffnungsloser Fall.“

Italienische Momente
Unverhohlen fordert der italienische Ministerpräsident direkte Schuldenhil-fe von der Bundesregierung. Es liege im Interesse Deutschlands, dabei zu helfen, dass die Belastungen für sein Land und andere hoch verschuldete Euro-Staaten bei der Schuldenfinanzie-rung niedriger ausfielen als derzeit. Deutschland müsse mehr tun, um die Zinskosten für Italien zu senken. Ande-renfalls werde es in seinem Land eine „kräftige Gegenreaktion an antieuro-päischer Stimmung“ geben, drohte Monti. „Trotz seiner Opfer“ erfahre Italien von der EU kein Entgegenkom-men. Und er bezeichnete gemeinsame „Staatsanleihen der Euro-Zone als gute Möglichkeit, nervöse Investoren zu beruhigen“. Die Dreistigkeit dieses politischen Erpressungsversuchs ver-schlägt einem die Sprache.

Währungskrieg?
Ein Europa-Abgeordneter der CDU hat sich zu der Behauptung verstiegen, die US-Regierung bereite mit Hilfe von S&P einen „Währungskrieg“ gegen Europa vor. Jörg Asmussen, seit kur-zem Mitglied im EZB-Direktorium, merkt dazu an: „Dieser Gedanke geht in Richtung einer Verschwörungstheo-rie und davon halte ich nichts. Im Üb-rigen lassen sich solche Vermutungen schon leicht durch den Hinweis ent-kräften, dass die USA selbst im ver-gangenen Jahr von einer amerikani-schen Ratingagentur herabgestuft wurden.“

Fiskalpakt
Als „Mogelpackung“ hat die FAZ den angestrebten Fiskalpakt bezeichnet. Er sei nach dem Urteil renommierter Europa-Juristen überflüssig und in Teilen rechtswidrig. Der Fiskalpakt-Vertrag gehe denselben Weg wie der (gescheiterte) Stabilitätspakt. Das Blatt weiter: „Die Staaten machen die Haushaltskontrolle unter sich aus, nach dem Motto ‚Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus’. Für den dau-erhaften Schuldenabbau bedeutet das nichts Gutes. Das lässt sich auch ohne die Expertise einer Ratingagentur er-kennen.“

Nicht um jeden Preis ...
Als erster Lenker eines DAX-Konzerns hat Wolfgang Reitzle (Linde AG) die Probleme und Risiken des Euro öffent-lich und unverblümt beim Namen ge-nannt. Die Gemeinschaftswährung müsse nicht um jeden Preis gerettet werden. Wenn die EZB immer wieder eingreife, lasse der Reformwille in den Krisenländern nach. Wenn es nicht gelinge, diese Länder zu disziplinieren, müsse Deutschland aus dem Euroraum austreten. Die daraus resultierenden Folgen in Form von Aufwertung und Exportbelastung könne die deutsche Wirtschaft in einigen Jahren überwin-den. Reitzle wörtlich: „Schon fünf Jah-re später könnte Deutschland im Ver-gleich zu den asiatischen Wettbewer-bern noch stärker dastehen.“ Und er verwies auf die wachsenden Ungleich-gewichte im Zahlungsverkehr der No-tenbanken (Target 2 Salden). Im EZB-System würden die Handelsbilanzdefi-zite der Krisenländer von der Bundes-bank mit einem derzeitigen Volumen von 550 Mrd. Euro garantiert. Im sel-ten gewordenen Klartext stellt der Top-Manager fest: „Damit finanzieren wir deutsche Automobile und Werk-zeugmaschinen, die nach Spanien oder Italien geliefert werden, im Prinzip selbst.“

Damokles-Schwert
Der Jahreswirtschaftsbericht 2012 der Bundesregierung erinnert an das Pfei-fen im dunklen Walde. Bei allem Ver-ständnis für die prinzipiell richtige psy-chologische Stabilisierung überwiegt das Prinzip Hoffnung. Nach einer „temporären konjunkturellen Schwä-chephase“ werde Deutschland im Jah-resverlauf wieder zu einem höheren Wachstum zurückfinden. Nach 3 % Wachstum im Jahr 2011 erwartet die Bundesregierung für 2012 ein Plus von 0,75 %. Außerdem sei ein Beschäfti-gungsrekord von 41,3 Mio. Menschen möglich. Die Neuverschuldung soll auf etwa 1 % gesenkt werden, von Schul-denabbau ist also nach wie vor keine Rede. Deutschland sei „Stabilitätsan-ker in Europa“. Über all dem schwebt allerdings das Damokles-Schwert der Euro-Krise. Der Jahreswirtschaftsbe-richt merkt dazu an: „Eine Verschär-fung der Schuldenkrise stellt zweifellos das Hauptrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung im Jahr 2012 dar.“ Same procedure as last year.

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