Wie ein Mahner in der Wüste wirkt oft der frühere ifo-Chef Hans-Werner Sinn. Sachlich begründete Ordnungsrufe wie die Kritik daran, dass der 1996 verabschiedete europäische Stabilitätspakt mittlerweile bereits 165 Mal ohne Sanktionen gebrochen worden ist, verhallen weitgehend resonanzlos auf dem kommunikativ inflationierten Forum der öffentlichen Wahrnehmung.
In seinem neuen Buch „Der schwarze Juni“ setzt sich Sinn mit den Brexit-Folgen und der Euro-Rettungspolitik auseinander. Das Ausscheiden Großbritanniens werde die interventionistische, protektionistische und auf Transfer setzende Politik der Schuldenländer in der Union stärken. Frankreich könne dann mit den mediterranen Ländern durchregieren. Letztlich werde Deutschland in eine Transferunion gezwungen. Nur zwei Tage vor der Brexit-Abstimmung habe sich das Bundesverfassungsgericht mit seinem OMT (Outright Monetary Transaction)-Urteil dem Europäischen Gerichtshof unterworfen. Sinn bewertet diese Entscheidung als „Freifahrtschein für eine Politik der Vergemeinschaftung der Haftung für Staatsschulden“. Nutznießer dieser Politik seien vor allem die kriselnden Südländer. Der Brexit und des BVerfG-Urteil verkörperten Entscheidungen „von historischer, ja epochaler Bedeutung“ für die Zukunft Deutschlands und Europas. Unter dem Strich sieht der Ökonom Europa in der größten Krise seit dem zweiten Weltkrieg und hält den Euro für „grandios gescheitert“.