23.05.2022 Im „Dämmerschlaf“?

Im „stabilitätspolitischen Dämmerschlaf“ sieht Malte Fischer, Chefvolkswirt der „Wirtschaftswoche“, die EZB. Obwohl die Inflation in einigen Euro-Ländern bereits zweistellig sei, wolle die Zentralbank offenbar weiter abwarten, wie sich die Preise und Konjunktur entwickeln, bevor sie über die Zinsen entscheide.

Das zeige das Protokoll der EZB-Ratssitzung vom März, bei dem sich die „geldpolitischen Tauben“ mit ihrer zaudernden Haltung durchgesetzt hätten. Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass den Frankfurter Notenbankern der Ukraine-Krieg als Ausrede für ihr ostentatives Nichtstun zupasskomme. Und das, obwohl sie per Gesetz verpflichtet seien, die Preise zu stabilisieren, nicht die Konjunktur. Setze die EZB ihren stabilitätspolitischen Dämmerschlaf fort, um den hoch verschuldeten Südländern weiter niedrige Finanzierungskosten zu sichern, dürfte der Zinsabstand zwischen Amerika und Euroland deutlich zunehmen und den Wechselkurs des Euro auf Talfahrt schicken. Das verteuere die Importe und beschleunige die Inflation auf dem Kontinent. Malte Fischer weiter: „Die flagrante Missachtung ihres gesetzlichen Auftrags durch die EZB ist nicht nur ein Ärgernis ersten Ranges für die um ihre Kaufkraft bangenden Bürger. Sie zerstört auch das Vertrauen in die Notenbank und den Euro, der unter der Ägide der von den Südländern dominierten EZB zur Lira des 21. Jahrhunderts zu werden droht.“ Und der Publizist Gabor Steingart bringt seine Sicht der Dinge so auf den Punkt: Die EZB nehme bei ihrer lockeren Geldpolitik billigend in Kauf, dass die Vermögen der Sparer dahinschmelzen – zum Wohle der Banken im Süden Europas.

Presse/Denkanstoesse