Was muss eigentlich noch geschehen, damit Politiker den Wählerwillen mit Respekt als verbindliche Vorgabe und Verpflichtung für künftiges Handeln akzeptieren. Am Abend der Bundestagswahl hielt sich der von den Hauptakteuren geäußerte Erkenntnisgewinn in erschreckend engen Grenzen.
Die Amtsinhaberin wurde ebenso wie der Herausforderer in ihren jeweiligen Parteizentralen gefeiert, als hätten Sie gerade epochale Wahlsiege errungen. Dass beide Volksparteien jeweils über ein Fünftel ihrer Wählerstimmen verloren hatten, ging im Trubel der allgemeinen Verdrängung und Selbstbeweihräucherung unter. Die Kanzlerin merkte allenfalls in der ihr eigenen Gelassenheit an, dass sie sich schon „ein etwas besseres Ergebnis“ gewünscht habe. Auch am nächsten Tag hatte das Realitätsbewusstsein kaum zugenommen. Im O-Ton hieß es: „Ich bin nicht enttäuscht. Wir haben unsere strategischen Ziele erreicht.“ Vor Journalisten erklärte Angela Merkel: „Ich kann nicht erkennen, was wir anders hätten machen sollen.“ Und auf die ungläubige Rückfrage, ob sie nicht Verantwortung für das schlechteste Wahlergebnis der Union seit 1949 trage, kam die reichlich schnodderige Antwort: „Ich übernehme die Verantwortung, in Gottes Namen.“ Selten zuvor ist die Arroganz der Macht in nur einem Satz so verächtlich artikuliert worden.