Kalt erwischt
Wie Blitze aus heiterem Himmel sorg-ten die im August erfolgten Einbrüche bei Auftragseingängen, Industriepro-duktion und Exporten für tiefe Verun-sicherung. Vor allem die Dimension der Rückgänge erinnerte an das fatale Horrorjahr 2009, als die Finanzkrise mit voller Wucht die deutsche Wirt-schaft erreicht hatte.
So stürzten die Aufträge im August – gegenüber dem Vormonat – um 5,7 % ab, die Produk-tion brach um 4 % ein und die Ausfuh-ren gerieten mit einem Minus von 5,8 % unter die Räder. Damit wurde der von der Politik gepflegten Grundstim-mung, Deutschland sei eine Art öko-nomisch stabiler Insel der Glückseli-gen, schlagartig der Boden entzogen. Die führenden Wirtschaftsinstitute senkten umgehend ihre Wachstums-prognosen für 2014 von 1,9 % auf 1,3 %. Für das nächste Jahr wurde die Hochrechnung von 2 % auf 1,2 % zu-rückgenommen. Der IWF reduzierte seine Prognose für 2014 um einen halben Punkt auf 1,4 %. Der Bundesre-gierung empfehlen die Institute, durch eine Senkung der Abgabenbelastung und höhere Investitionen die Wachs-tumskräfte zu stärken. Das zügige Abgleiten in eine Rezession ist nicht mehr auszuschließen.
Ursache und Wirkung
Gerätselt wird derzeit über die Ursa-chen des in seiner Dynamik mehr als überraschenden Konjunktureinbruchs. Dabei wird vor allem auf die besorg-niserregende Häufung internationaler Krisen verwiesen, die das Konsumver-halten der Privathaushalte und die Investitionsbereitschaft der Unter-nehmen zunehmend belasten. Aber auch der schwarz-roten Bundesregie-rung weisen die Wirtschaftsforscher eine Mitschuld am Abschwung zu. Hervorgehoben werden die wachs-tumshemmenden Wirkungen, die aus dem Rentenpaket und dem flächende-ckenden Mindestlohn resultieren. Der Normenkontrollrat hat festgestellt, dass allein die zwischen Juli 2013 und Juni 2014 in Deutschland erlassenen Gesetze Wirtschaft, Bürger und Ver-waltung mit 9,2 Mrd. Euro belasten. Die „Welt“ hofft, dass die Rezessions-gefahr „die Zeit des fröhlichen Umver-teilens“ innerhalb der Groko beenden werde. Der CSU-Vorsitzende, der den Koalitionsvertrag mit unterzeichnet hat, fordert jetzt „Vorfahrt für Wachs-tum und sichere Arbeitsplätze“.
Verschenktes Jahr
Fraglich ist derzeit, ob das für 2016 propagierte Ziel, erstmals seit 1969 im Bundeshaushalt keine neuen Schulden zu machen, überhaupt noch erreichbar sein wird. Für die SPD war die „schwarze Null“ ohnehin nie ein ech-tes Anliegen. Einer Faustregel zufolge kostet ein Zehntel Prozent weniger Wachstum rund 700 Mio. Euro Steuer-einnahmen. Legt man die reduzierten Prognosen der Wirtschaftsweisen zugrunde, so werden dem Finanzminis-ter – gegenüber den bisherigen Plan-zahlen – 2014 4,2 Mrd. und 2015 wei-tere 5,6 Mrd. Euro fehlen. Auch vor diesem Hintergrund dürften sich die beschlossenen Wahlgeschenke als verhängnisvolle Fehlentscheidungen erweisen. Der „Spiegel“ kommentiert: „Die Große Koalition wurschtelt sich durch, verteilt Wohltaten und macht Politik nach Stimmungslage. So eine kurzfristige Politik kann sich noch bit-ter rächen – für die Koalitionäre, aber auch für das ganze Land.“
Auf Pump
Angesichts der schwachen Konjunktur in Europa fordern die EZB und der IWF von der „Lokomotive“ Deutschland neue, schuldenfinanzierte Maßnah-men zur Ankurbelung der Wirtschaft. Dagegen warnt der Bundesbankpräsi-dent vor konjunkturpolitischen Stroh-feuern. Auch die neu gebildete EU-Kommission hat opulente Investitions-programme angekündigt und möchte für deren Finanzierung den Euro-Rettungsfonds ESM nutzen. Diesen eklatanten Missbrauch hat Herr Schäuble (bisher) kategorisch abge-lehnt, während sich in der SPD bereits Zustimmung abzeichnet. Der Informa-tionsdienst „Czerwensky Intern“ merkt an: „Den Krisenstaaten würde es ge-nau wie die umstrittene Geldpolitik der EZB mehr Zeit für ihre versprochenen Strukturreformen bringen, um sie wie gewohnt ungenutzt verstreichen zu lassen …“
Bad Bank
Heftige Kritik an der EZB und der EU-Kommission hat der bayerische Fi-nanzminister geübt. Angesichts der geplanten Zweckentfremdung von Geldern des Euro-Rettungsschirms und des Ankaufs von „Schrottpapieren“ stehe die Euro-Zone vor einer Rich-tungsentscheidung. Gehe es nach der EU, so würden soziale Ausgaben in überschuldeten Ländern einen größe-ren Stellenwert erhalten als die Sanie-rung der Staatsfinanzen. Zu dieser Zweckentfremdung müsse die Bundes-regierung ebenso „laut und deutlich Stopp sagen“ wie zum beabsichtigten Ankauf von Zockerpapieren. Außer-dem würden durch den Kauf soge-nannter „forderungsbesicherter Wert-papiere“ Risiken von Pleitebanken auf den deutschen Steuerzahler verlagert. Die EZB dürfe nicht zur Bad Bank des ganzen Kontinents werden. Abzuwar-ten bleibt, ob diesen klaren Worten entsprechende politische Taten folgen werden.
Landschaftspflege
Neue Maßstäbe bei der dreisten Selbstbedienung und Korruption hat das System „schwarzer“ Kreditkarten bei der spanischen Pleitebank Caja Madrid / Bankia gesetzt. Davon profi-tiert haben führende Politiker der gro-ßen Parteien ebenso wie Spitzenfunk-tionäre der Gewerkschaften, die – natürlich unversteuert – mindestens 15 Mio. Euro für private Ausgaben verun-treut haben. Kurze Zeit später musste das Institut mit 24 Mrd. Euro vor dem Zusammenbruch gerettet werden. Nicht bekannt ist der Anteil der hier eingesetzten Euro-Rettungsgelder.