„Kollektiver Bankrott“
„Das Ende des Euro nahen“ sieht der Historiker Walter Laqueur. Der ameri-kanische Star-Ökonom Kenneth Rog-off meint: „Würde Deutschland jetzt alle Schulden übernehmen, käme es nur etwas später zu einem noch viel größeren Problem. Deutschland wäre töricht zu zahlen.“
Die Rating-Agentur Moody´s hat den Ausblick für die Kre-ditwürdigkeit des dauerhaften Euro-Rettungsschirmes gesenkt und ange-kündigt, der EU die bisherige Bestnote „Aaa“ zu entziehen. Eine Gruppe nam-hafter Wirtschaftsexperten warnt: „Europa steuert schlafwandelnd auf eine Katastrophe zu“. Einem „Welt“-Autor zufolge „droht nun selbst Deutschland der Staatsbankrott“. Mal-te Fischer, der Europa dem „kol-lektiven Bankrott“ entgegen taumeln sieht, ruft in der „Wirtschaftswoche“ auf: „Stoppt die Euro-Katastrophe.“ Die FAZ fragt: „Wann kippt Deutsch-land? “ Die Rating-Agentur Egan-Jones Ratings hält die deutsche Staatspleite mittlerweile für ein denkbares Szena-rio. Kein Politiker wird später behaup-ten können, im gespenstisch ruhigen Sommer 2012 habe es an deutlichen Appellen und Warnungen gefehlt.
Kapitalflucht
Prof. Wilhelm Hankel bringt seine Kri-tik am ständigen Rettungsschirm so auf den Punkt: „Der ESM beweist, noch ehe er antritt, wie stark er in die Budgethoheit und -planung der Euro-staaten, insbesondere Deutschlands, eingreift und wie rücksichtslos er Eu-ropas Kapitalmärkte für seine Aufga-ben blockieren und leerfegen wird. Seine monströse Kapitalausstattung und sein geplantes Ausleihvolumen belasten mit 1,2 Billionen Euro Staats-finanzen und Kapitalmärkte gleicher-maßen. Dabei ist nicht in Rechnung gestellt, dass Deutschlands ESM-Hypotheken in dem Umfang wachsen, wie andere Einzahler krisenbedingt ausfallen.
Europa droht mit der Eurorettung eine Kapitalflucht ohnegleichen: in Gold, Immobilien, Sachwerte, Rohstoffe. Eine Umwandlung von Ersparnissen in ‚totes Kapital’, das weder für Neuin-vestitionen noch für die Schaffung von Arbeitsplätzen zur Verfügung steht. Ein Prozess, der bereits läuft und gestoppt werden muss. Denn nicht der Euro bedroht Europas Zukunft, sondern seine Rettung. Wer rettet Europa vor diesen Retter?“
Alles alternativlos?
Ifo-Chef Werner Sinn zieht folgende Zwischenbilanz: „Die Krisenländer werden nun schon im fünften Jahr mit billigen Krediten der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Staatenge-meinschaft unterhalten. Insgesamt haben EZB, EU, Euro-Staaten und In-ternationaler Währungsfonds nach aktuellen ifo-Berechnungen rund 1,53 Billionen Euro zur Verfügung gestellt. Geholfen hat es nicht. Die Krise geht weiter, weil ein Fass ohne Boden nicht gut zu füllen ist. Wenn der Rettungs-schirm ESM ausgeschöpft wird, wach-sen die Hilfen sogar auf 2,2 Billionen Euro an. Sollten die sechs Krisenländer Griechenland, Irland, Portugal, Spani-en, Italien und Zypern insolvent wer-den, die Euro-Zone verlassen und nichts mehr zurückzahlen, hätte Deutschland einen Verlust von 771 Mrd. Euro zu tragen. Die Politiker und Ökonomen, die den Kurs richtig und Kritik daran offenbar verwerflich fin-den, sollten der Öffentlichkeit erklä-ren, wie sie sich den Fortgang der Ak-tionen vorstellen.“
Weihnachtsgans
Václav Klaus, Präsident der Tschechi-schen Republik, hat gefordert, den Ländern, die Opfer der Europäischen Währungsunion geworden seien, den Austritt und die Rückkehr zu ihren ei-genen Währungen zu ermöglichen. Und Richard Sulik, der frühere Parla-mentspräsident der Slowakei, schreibt in einem „Zeit“-Artikel unter der Über-schrift „Deutschland ruiniert sich“: „Angeblich muss es Deutschland tun, damit es seinen Export und somit die Arbeitsplätze rettet. Deutschland soll also für die Südländer zahlen, damit die Menschen dort deutsche Produkte kaufen. Außer der banalen Frage, was denn ein Export nützt, den das expor-tierende Land selbst bezahlt, gibt es eine viel kniffligere Frage: Wäre es dann nicht besser, das, was sonst ex-portiert wird, den Bürgern des eigenen Landes zu schenken statt denen eines fremden Landes? Dass Deutschland sich wie eine Weihnachtsgans aus-nehmen lässt, könnte mir als Slowaken egal sein, wenn es da nicht zwei Zu-sammenhänge gäbe. Erstens bin ich davon überzeugt, dass die Haftung für die Schulden eines anderen dazu führt, dass sich niemand mehr verantwort-lich für seine Taten fühlt.“ Und als zweiten Zusammenhang nannte Richard Sulik: „Es ist zum Weinen, wir sind das ärmste Land der Eurozone, haben bescheiden, aber recht or-dentlich gewirtschaftet und jetzt müs-sen wir spanische Banken und griechi-sche Beamte retten, die einen wesent-lich höheren Lebensstandard haben.“
„Kein Risiko“
Abschließend noch einige ebenso wahrhaftige wie aufmunternde Zitate für alle – nach Meinung unserer Politi-ker – uneinsichtigen Euro-Skeptiker:
„Dieses Geld wird eine große Zu-kunft haben.“ (Helmut Kohl 2001)
„Ich bin fest davon überzeugt, dass Griechenland diese Hilfe nie in An-spruch nimmt.“ (Jean Claude Juncker, 2010)
„Die Rettungsschirme laufen aus. Das haben wir klar vereinbart.“ (Wolf-gang Schäuble 2010)
„Wir werden jeden Cent zurückzah-len.“ (Giorgos Papandreou 2011)
„Italien ist kein Risikoland.“ (Mario Draghi 2011)
„Wenn es kein Geschrei und keine Aufstände gibt, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, machen wir weiter.“ (Jean Claude Juncker 2011)