Zehn Männer – ein Grieche, ein Italiener, ein Franzose, ein Portugiese, ein Spanier, ein Zypriot, ein Belgier, ein Österreicher, ein Niederländer und ein Deutscher – trafen sich regelmäßig zum Essen – ganz so wie die EU-Regierungschefs. Die Rechnung für alle zusammen betrug 500 Euro, denn man speiste gerne auf hohem Niveau. Die Rechnung wurde folgendermaßen aufgeschlüsselt:
Vier Gäste, der Grieche, der Portugiese, der Spanier und der Zypriot, zahlten nichts.
- Der Italiener zahlte 1 Euro
- der Franzose 5 Euro
- der Belgier 50 Euro
- der Österreicher 80 Euro
- der Niederländer 100 Euro
- der Deutsche zahlte 264 Euro
Das ging eine ganze Weile so. Immer wieder trafen sie sich zum Essen. Alle waren zufrieden, bis der Wirt den Stammgästen einen Rabatt gewährte und den Preis um 50 Euro reduzierte. „Weil Sie alle so gute Gäste sind!“ Wie nett von ihm! Jetzt kostete das Essen nur noch 450 Euro.
Die Gruppe wollte unbedingt weiter so bezahlen, wie das bisher üblich war. Dabei änderte sich für den Griechen, Portugiesen, Spanier und Zyprioten nichts, sie aßen weiterhin kostenlos. Wie sah es aber mir den restlichen sechs aus? Wie konnten sie die 50 Euro Ersparnis so aufteilen, dass es gerecht war?
Die sechs stellen schnell fest, dass 50 Euro geteilt durch sechs Zahler 8,33 Euro pro Kopf ergeben. Aber wenn sie das von den einzelnen Teilen abziehen würden, bekämen der Italiener und der Franzose noch Geld dafür, dass sie überhaupt zum Essen gehen. Daher schlug der Wirt den Gästen vor, dass jeder ungefähr prozentual so viel weniger zahlen sollte, wie er insgesamt beisteuerte. Er setzte sich also hin und begann, das für seine Gäste auszurechnen. Heraus kam Folgendes:
- Der Italiener zahlte ab sofort ebenso wie die ersten vier nichts mehr.
- der Franzose zahlte 4 Euro statt 5 Euro (20 % Ersparnis).
- der Belgier zahlte 45 Euro statt 50 Euro (10 % Ersparnis).
- der Österreicher zahlte 72 Euro statt 80 Euro (10 % Ersparnis).
- der Niederländer zahlte 90 Euro statt 100 Euro (10 % Ersparnis)
- der Deutsche zahlte 239 Euro statt 264 Euro (9,5 % Ersparnis).
Jeder der sechs kam bei dieser Lösung günstiger weg als vorher, und die ersten fünf von zehn tafelten nun kostenlos. Aber als sie vor der Wirtschaft nochmal nachrechneten, fanden sie das dennoch ungerecht: „Ich hab nur 1 von den 50 Euro bekommen!“, sagte der Franzose und zeigte auf den Deutschen, „aber der kriegt 25 Euro!“ „Stimmt“, rief der Italiener, „ich habe nur 1 Euro gespart, und er spart viel mehr als ich“. „Genau“, rief der Belgier. „Warum kriegt er 25 Euro zurück und ich nur 5? Alles kriegen mal wieder die reichen Deutschen! Das ist überhaupt nicht solidarisch.“
„Moment mal!“, riefen da der Grieche, der Portugiese, der Spanier und der Zypriot wie aus einem Munde. „Wir haben überhaupt nichts bekommen. Das System beutet die Ärmsten aus!“ Wie aus heiterem Himmel gingen die neun gemeinsam auf den Deutschen los und verprügelten ihn wegen seiner fehlenden Solidarität.
Am nächsten Tag tauchte der Deutsche nicht zum Essen auf. Dennoch setzten sich die übrigen neun zusammen und aßen ohne ihn. Aber als es an der Zeit war, die Rechnung zu bezahlen, stellten sie fest: Alle zusammen hatten nicht genügend Geld, um auch nur die Hälfte der Rechnung bezahlen zu können. Sie sagten dem Wirt, er solle die Rechnung einfach dem Deutschen zuschicken. Dieser werde mit Sicherheit zahlen, denn man werde ihn über die Massenmedien an seine Verantwortung für den Friedensprozess in Europa erinnern – notfalls werde man ihm mit der „Nazi-Keule“ drohen. Beim nächsten Mal ist der Deutsche dann auch tatsächlich wieder mit dabei und zahlt freiwillig die ganze Rechnung, damit nur kein weiterer Ärger aufkommt - schließlich geht es ja um Solidarität in Europa.
Auch bei den nächsten Essen zahlt der Deutsche ganz selbstverständlich die komplette Rechnung für alle. Eines Tages beschwert sich der Grieche bei ihm darüber, dass Deutschlands Rekord-Exporte zu Lasten der anderen Länder gingen, Deutschland also unverhältnismäßig von der EU profitiere. Der Franzose nickt zustimmend. Der Österreicher versucht nun, zwischen Deutschland und den anderen zu vermitteln, und warnt den Deutschen vor allzu großer Hartleibigkeit, schließlich gehe es ja um die weitere friedliche Entwicklung in Europa. Der Deutsche reagiert zunächst befremdet. Nach einigen Verhandlungen einigt man sich dann aber gemeinsam auf die Einrichtung eines „Sozialausgleichsfonds“, in den (nur) Deutschland jährlich einen Betrag in Höhe der Hälfte seiner Exportüberschüsse zugunsten der anderen EU-Länder einzahlt.
Mit dieser Lösung sind nun alle einverstanden – bis eines Tages der Grieche die Frage in die Runde stellt, warum Deutschland eigentlich die andere Hälfte seines Exportüberschusses einfach für sich behalte? Der Deutsche sieht ein, dass das wirklich nicht solidarisch ist, und zahlt seinen gesamten Exportüberschuss in den europäischen „Sozialausgleichsfonds“ ein. Nun ist erst einmal wieder Ruhe eingekehrt und alles geht seinen gewohnten Gang. Doch eines Tages kommt der Deutsche ganz geknickt zum Essen und teilt den anderen mit, dass er pleite sei. Daraufhin geraten die neun Gäste in große Rage, weil sich der Deutsche wieder einmal seinen Verpflichtungen entziehen wolle. Und sie fassen den einstimmigen Beschluss, den Deutschen im Sinne von mehr Disziplin und Vertragstreue erneut ganz solidarisch zu verprügeln.
(frei nach Frank Pöpsel, Chefredakteur von FocusInside)