Zeitenwende

Selbst erfahrene und belastbare Zeitgenossen beobachteten das mitunter kafkaeske und apokalyptische Corona-Geschehen nahezu fassungslos und gelegentlich wie paralysiert. Künftige Historiker werden feststellen, dass im März 2020 ein vergleichsweise friedliches Zeitalter infolge einer Pandemie abrupt zu Ende gegangen ist.

Und in der Tat: In den Iden des März begannen die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen, sich unkontrolliert zu überschlagen. Zunächst stürzten die internationalen Börsen in einer schnellen Folge dramatischer Verlusttage um Billionen-Werte ab. Bis zum 19. März verlor der DAX gegenüber dem Jahresanfang über 40 %, der Down Jones fast 35 %. Relativ spät erkannte die Bundesregierung die Dimensionen und Risiken der neuen Lungenkrankheit, um dann – eher getrieben als geplant – schrittweise restriktive Register zu ziehen. Gerade verkündete Maßnahmen wurden oft schon am nächsten Tag durch immer neue Einschränkungen überholt. Einreise-, Veranstaltungs- und Versammlungsverbote, Geschäftsunterbrechungen, Grenzschließungen und Ausgangssperren versetzten das Land in kurzer Zeit in Schockstarre. Nie zuvor hat das Sinnbild des Schwarzen Schwans als Symbol für ein unvorhergesehenes Ereignis so tiefe und nachhaltige Spuren hinterlassen. Schon im Februar wurde an dieser Stelle auf die Gefahr „einer schweren globalen Krise mit verehrenden Kettenreaktionen“ hingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt wähnten die meisten Politiker Corona noch als eher auf China beschränktes Problem. Umso unvorbereiteter erfolgten dann die Ankündigungen und Umsetzungen der Vorbeugungs- und Rettungsmaßnahmen. Ab der dritten März-Woche – die Bundeskanzlerin sprach in einer TV-Rede von der größten Herausforderung seit Kriegsende – war die Wirtschaft der weltweit viertgrößten Industrienation – wie in einem Ausnahmezustand – weitgehend lahmgelegt. Stillstand breitete sich wie Mehltau über immer mehr Branchen und Betriebe in Deutschland aus. Die Bandbreite reichte von der Eckkneipe über Handels-ketten bis zu den Automobilkonzernen.

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